NEW WORK Mythen: „Das haben wir schon immer so gemacht“

Mythen rund um die neue Arbeitswelt gibt es viele. Auch ich habe sie an der ein oder anderen Stelle schon ausgiebig beleuchtet. Eine neue Studie der Stellenbörse Stepstone gemeinsam mit der Unternehmensberatung Kienbaum zeigt nun:

Dass Mitarbeiter in Deutschland keine Veränderungen wollen, ist schlichtweg falsch!

Über die Hälfte (55%) der Angestellten sind der Ansicht, die aktuelle Organisationsstruktur ihres Unternehmens sei für die Zukunft nicht geeignet. 58% halte ihren Arbeitgeber für nicht ausreichend innovativ. Und Dreiviertel der (fast 15.000 Befragten) wünschen sich mehr Verantwortung bei Neuerungen übernehmen zu dürfen.

Der Mythos der veränderungsunwilligen Deutschen ist also genau das: Ein Mythos!

Vielleicht kennt der ein oder andere von Ihnen schon meine Geschichte von den Sesseln. Es ging um das Bühnenbild für eine Veranstaltungsreihe. Die Bestuhlung dafür wurde regelmäßig ausgeliehen, weil im Haus die Lagermöglichkeiten fehlten. Zweimal leihen kostete dabei so viel wie einmal kaufen, was mir völlig unverhältnismäßig erschien. Also erklärte ich zunächst meinem Vorgesetzten, dann dem Veranstaltungsmanagement und schließlich dem Hausmeister, warum ich diese Sessel, die ich für eine Veranstaltungsreihe mindestens viermal pro Jahr benötigte, gerne kaufen wollte. Den erste Einwand – „zu teuer“ – konnte ich mit einer kleinen Rechnung – zweimal leihen gleich einmal kaufen – noch relativ schnell entkräften. Den zweiten – „sicherlich schlechtere Qualität“ – mit dem Argument, dass Sessel, die viermal im Jahr benutzt werden, uns sicherlich auch bei geringerer Qualität einige Jahre erhalten bleiben würden. Dem dritten Einwand war am schwierigsten zu begegnen – „keine Lagermöglichkeiten im Haus“. Aber ein Blick in mein bis dato noch ziemlich leeres Büro ließ mich auch hier schnell kontern, dass sich die Sessel zwischen den Veranstaltungen an meinem Besprechungstisch gut machen würden. Meine Argumente wurden abgewogen, diskutiert und in schriftlicher Vermerkform zwischen zwei blaue Aktendeckel gepresst. Nach eingehender Prüfung machte sich schließlich der Hausmeister mit seinem Kleinbus auf den Weg in das Möbelhaus, bei dem ich die Sessel entdeckt hatte. Von diesem Tag an zierten sie die Bühne meiner Veranstaltungsreihe und in der übrigen Zeit mein Büro, was auf der Stelle zu Nachfragen meiner Kollegen führte, warum ich so eine schicke Bestuhlung hatte, obwohl ich doch erst viel kürzer hier arbeitete als sie. Alles in allem, angefangen bei der Zeit, die ich zur Beantwortung solcher Fragen, für die zahlreichen Gespräche vorab und zum Verfassen des Vermerkes gebraucht habe, so waren das am Ende vielleicht tatsächlich die teuersten Sessel, die dort je bestellt worden sind.

Lohnt es sich, für Veränderungen zu kämpfen?

Aber ich musste mich schon fragen, ob es der Mühe wert war. Anerkennung habe ich dafür natürlich keine bekommen, eher im Gegenteil. Wenn ich in den darauffolgenden Wochen einen Vorschlag machen wollte, hieß es immer: „Frau Kürschner, Sie haben doch erst Ihre Sessel bekommen. Nun halten Sie aber mal die Füße still.“ Dass es sich dabei niemals um meine Sessel gehandelt hat, sondern ich einfach eine kostengünstigere und wesentlich effizientere Art und Weise der Beschaffung gesehen habe, ging in dem ganzen Hin und Her irgendwie unter. Doch das Beispiel hat sich fest in meinem Gedächtnis eingebrannt, den blauen Aktendeckel mit dem Vermerk darin habe ich noch immer. „Zur Genehmigung empfohlen“ steht darunter in Rot, der Farbe des Geschäftsführers, „Genehmigt“ in Grün, der Tinte des Vorsitzenden. (Diese Geschichte ist übrigens ein Auszug aus meinem Buch „New Work“, wo ich viele solcher Beispiele aus dem Arbeitsalltag – natürlich nicht nur meinem eigenen – gesammelt habe. Zu bestellen ist es hier.)

Sicherlich fallen auch Ihnen dazu einige Beispiele aus Ihrem Arbeitsalltag ein. Wollten Sie nicht auch schon mal etwas zum besseren verändern und sind dabei von Vorgesetzten oder Kollegen mit den Worten „Das haben wir aber schon immer so gemacht“ ausgebremst worden? Über Ihre Geschichten und Kommentare freue ich mich!